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§ 29 Verwahrung und Notveräußerung sichergestellter und beschlagnahmter Sachen

(1) Sichergestellte Sachen sind so zu verwahren, daß sie der Einwirkung Unbefugter entzogen sind; Wertminderungen ist nach Möglichkeit vorzubeugen. Ist eine amtliche Verwahrung nicht möglich oder nicht zweckmäßig, so ist die sichergestellte Sache einem Dritten zur Verwahrung zu übergeben. Entstehen der Polizei durch die Sicherstellung, Verwahrung oder Notveräußerung Kosten, so ist der Eigentümer oder rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt zum Ersatz verpflichtet.

(2) Sichergestellte Sachen können verwertet werden, wenn
1. ihr Verderb oder eine wesentliche Minderung ihres Wertes droht,
2. ihre Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßigen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist oder
3. der Eigentümer oder rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt der Aufforderung, die Sachen abzuholen, nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachkommt.
Für die Verwertung gilt § 28 Abs. 2 bis 4 entsprechend. Ist der Eigentümer oder rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt bekannt und erreichbar, so soll er vor der Veräußerung gehört werden.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für beschlagnahmte Sachen.

  

1. Bedeutung

Durch die Sicherstellung nach § 26 SächsPolG und die Beschlagnahme nach § 27 SächsPolG wird ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis[1] begründet. Auf dieses Verwahrungsverhältnis finden lediglich subsidiär die bürgerlich-rechtlichen Verwahrungsvorschriften (§§ 688 ff. BGB) Anwendung[2]. Die Vorschriften des Polizeirechts regeln Rechte und Pflichten in einem amtlichen Verwahrungsverhältnis unter Berücksichtigung der Besonderheiten des öffentlichen Rechts, so daß für eine entsprechende Anwendung der §§ 688ff BGB daneben kaum Raum bleibt[3]. Die Polizei hat die Verpflichtung, das Eigentumsrecht des Berechtigten (Eigentümer oder rechtmäßiger Inhaber der tatsächlichen Gewalt) zu schützen, sie muß die sichergestellte Sache also sicher vor Beschädigung und Untergang verwahren. Die Verwahrung kann dabei, etwa wenn die bei der Polizeibehörde unzweckmäßig ist, Dritten übertragen werden[4]. Die Polizei ist nicht verpflichtet, einen Verwahrplatz für sichergestellte Kraftfahrzeuge derart abzusichern, daß ein Eindringen unbefugter Dritter völlig ausgeschlossen wird. Es reicht aus, daß der Platz ordnungsgemäß eingezäunt und überwacht wird. Darüberhinausgehende Sicherungs­maßnahmen wie z. B. das Anbringen einer Alarmanlage und von Überwachungskameras sind von den Kosten her unverhältnismäßig und unzumutbar. Es besteht daher kein Amtshaftungsanspruch eines Fahrzeugeigentümers, wenn Dritte in den abgeschlossenen Verwahrplatz eindringen und ein abgeschlossenes Fahrzeug vorsätzlich zerstören[5].

  

2. Verwertung sichergestellter Sachen

Grundsätzlich sollen sichergestellte oder beschlagnahmte Sachen während der Verwahrungszeit nicht verwertet werden. Liegen die Voraussetzungen des § 28 SächsPolG vor, ist das Verwahrungsverhältnis durch Einziehung zu beenden. Bei sichergestellten und beschlagnahmten Sachen darf wegen des vorläufigen Charakters der Maßnahmen eine Verwertung (ohne Einziehung nach § 28 SächsPolG) nur ausnahmsweise als sog. Notveräußerung vorgenommen werden[6]. Die Verwertung erfolgt nach § 29 Abs. 2 Satz 2 SächsPolG i.V.m. § 28 Abs. 2 SächsPolG im Wege der Versteigerung. Bei einer Notveräußerung darf davon abgesehen werden (§ 28 Abs. 2a SächsPolG). Auch eine Abgabe zu gemeinnützigen Zwecken ist möglich (§ 28 Abs. 3 SächsPolG). Ansonsten bleibt nur die Unbrauchbarmachung (§ 28 Abs. 3 SächsPolG)[7]. Die Kosten der Verwertung trägt der Eigentümer oder rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt (§ 29 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 28 Abs. 4 SächsPolG).

  

3. Kosten der Verwahrung und Notveräußerung

a) Voraussetzung der Kostentragungspflicht ist, daß die Verwahrung Folge einer polizeirechtlichen Sicherstellung oder Beschlagnahme ist und daß die tatbestandlichen Voraussetzungen der Sicherstellung oder der Beschlagnahme vorgelegen haben, mithin eine rechtmäßige Sicherstellung oder Beschlagnahme vorgelegen hat[8]. Ein auf anderer Rechtsgrundlage begründetes Verwahrungsverhältnis (z. B. §§ 94, 98 StPO) kann nach anderen Vorschriften entgeltpflichtig sein[9]. Als Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung kommt § 29 SächsPolG für ein auf anderer Rechtsgrundlage begründetes Verwahrungsverhältnis nur dann in Betracht, wenn sich an das auf anderer Rechtsgrundlage begründetes Verwahrungsverhältnis eine polizeirechtliche Sicherstellung oder Beschlagnahme angeschlossen hat. Die Kosten können dem Eigentümer oder rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt durch einen Kostenbescheid auferlegt werden[10].

b) Aus dem Verwahrungsverhältnis folgt die Pflicht zum Kostenersatz[11]. Entstehen der Polizei durch die Sicherstellung, Verwahrung oder Notveräußerung Kosten, so ist der Eigentümer oder rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt zum Ersatz verpflichtet. Welche Kosten § 29 Abs. 1 SächsPolG unterfallen, ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Als Kosten können nur konkrete, auf die einzelne Sache bezogene Aufwendungen angesehen werden. Erfaßt werden nach dem Wortlaut stets die Aufwendungen der Sicherstellung, Verwahrung und Notveräußerung als solche, wie beispielsweise für das Abschleppen und Unterstellen eines Fahrzeuges[12]. Dazu gehört etwa die Miete für das Abstellen eines Fahrzeuges auf einem privaten Stellplatz[13] oder Fütterungskosten bei der amtlichen Verwahrung von Tieren[14]. Dies schließt auch Folgekosten ein, etwa Auslagen und sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit einer anschließenden Beitreibung, soweit es sich jedenfalls um solche Kosten handelt, die ohne die betreffende Maßnahme nicht angefallen wären und sich rechnerisch von den allgemeinen Personal- und Sachkosten sondern lassen[15]. Der Erstattungspflichtige darf jedoch nicht zu allgemeinen Kosten für Personal und Sachmittel herangezogen werden, die ohnehin entstanden sind (Sowieso-Kosten)[16], z.B. Vergütungen oder Entgelte für die bloße Raumgewährung[17]. Letztere werden aus Steuermitteln finanziert, weil deren Vorhaltung der gefahrenabwehrenden Polizeitätigkeit dient, die nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung eine öffentliche Aufgabe ist. An dieser grundsätzlichen Lastenverteilung ändert § 29 Abs. 1 SächsPolG nichts. Er bietet keine Handhabe, auf einen Verantwortlichen Polizeikosten auch insoweit abzuwälzen, als sie im Wege der Steuerfinanzierung von der Allgemeinheit zu tragen sind.

c) Die Herausgabe der Sache kann von der Zahlung der Kosten abhängig gemacht werden[18], der Polizei steht insoweit ein Zurückbehaltungsrecht zu[19].

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[1] VGH BW, NJW 2007, 1375, 1376; BGH, NJW 2006, 1804; SächsOVG, SächsVBl. 1996, 252ff. m. w. N.; VG Karlsruhe, Urteil vom 15. Mai 2001, Az: 11 K 144/01
[2] siehe die Nachweise bei VGH BW, NJW 2007, 1375, 1376; a.A. BGH, NJW 2006, 1804, wonach sich die Verwahrung ausschließlich nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften vollziehen soll; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rdnr. 261
[3] VGH BW, NJW 2007, 1375, 1376
[4] BGH, NJW 2006, 1804
[5] OLG München, OLGR München 1999, 217
[6] so auch Belz, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, S. 97
[7] zur „Verwertung“ eines bissigen Hundes: OVG NRW, NVwZ 2001, 227
[8] VGH Bayern, NJW 2001, 1960
[9] VG Neustadt (Weinstraße), Beschluß vom 5. August 2005, Az: 7 L 1177/05.NW
[10] Belz, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, S. 97
[11] BGH, NJW 2006, 1804
[12] OVG NRW, NJW 2001, 2035;Wolf/Stephan, PolG BW, § 32 Rdnr. 9 zur Möglichkeit der Ortspolizeibehörden, für eine Verwahrung Gebühren nach ihren Verwaltungsgebührensatzungen zu erheben
[13] VGH BW, NJW 2007, 1375; SächsOVG, SächsVBl. 1996, 252
[14] vgl. VGH BW, NJW 2007, 1375 unter Verweis auf Würtenberger/Heckmann/Riggert, PolG BW, Rdnr. 895
[15] VG Mainz, Urteil vom 17. März 2005, Az: 1 K 720/04.MZ
[16] vgl. VGH BW, NJW 2007, 1375 für pauschale Verwahrkosten bei Verwahrung auf städtischem Grundstück
[17] VGH BW, NJW 2007, 1375
[18] BGH, NJW 2006, 1804
[19] BGH, NJW 2006, 1804